Reiner Braun
Historiker, Journalist, Executive Director des International Peace Bureau. Seit den 80er Jahren ist Reiner Braun in der deutschen und internationalen Friedensbewegung tätig, als Organisator, Publizist und Initiator verschiedener Friedensinitiativen. Er leitete die deutsche Abteilung der Internationalen Assoziation Juristen gegen Nuklearwaffen, die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), Wissenschaftler für Frieden und Nachhaltigkeit, das Netzwerk Ingenieure und Wissenschaftler für globale Verantwortung (INES). Er wirkte auch in der Initiative Krefelder Appell gegen den NATO-Doppelbeschluss mit. Reiner Braun ist Autor und Herausgeber von Büchern zu Fragen des Friedens und der Nachhaltigkeit, darunter "Einstein und Frieden" und der Biographie des Nobelfriedenspreisträgers Joseph Rotblat.
Faschismus ist keine Meinung — Faschismus ist ein Verbrechen
In einer Zeit wachsender rechtsradikaler und faschistischer Gefahren in vielen Ländern der Erde sowie einer zunehmenden Kriegsgefahr, die eine große nukleare Konfrontation durchaus als möglich erscheinen lässt, begeht die Welt den 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus.

Ein Tag des Sieges für alle Menschen, die sich Frieden, Demokratie, Gerechtigkeit und Würde verbunden fühlen.

Ein Tag des tief empfundenen Dankes an die Länder und politischen Kräfte, die es ermöglicht haben — die Alliierten und besonders die Sowjetunion.
27 Millionen Sowjetbürgerinnen und Bürger — Offiziere, Soldaten, Zivilisten, Frauen, Männer, Greise und Kinder gaben für die Befreiung Europas von der Geisel des Faschismus — des mörderischsten und verbrecherischsten Systems der Geschichte der Menschheit — ihr Leben
Der Faschismus hinterließ ein Land der verbrannten Erde. Die materiellen Verluste waren gigantisch, die menschlichen Zerstörungen und das Leid kaum vorstellbar.

Als deutscher Staatsbürger muss ich mit Trauer und Scham immer wieder betonen, Deutschland war nicht in der Lage sich selbst von den faschistischen Verbrechern zu befreien, viel zu viele sympathisieren bis zum Schluss mit dem Faschismus oder standen ihm mindestens neutral bis offen gegenüber. Die faschistische Ideologie war tief in die Hirne der Mehrheit der Bevölkerung eingehämmert worden, dem heldenhaften Mut der (wenigen) Widerstandkämpfern in Deutschland, vor deren Kraft und Mut sich seitdem alle Generationen tief verbeugen sollten, stand die ideologische und politische Dampfwalze des Faschismus gegenüber.
Aber auch in Deutschland fiel der Faschismus nicht vom Himmel, er wurde finanziell und politisch an die Macht gebracht — von den alten Eliten der Großindustrie, des Großgrundbesitzes und des in Deutschland zutiefst reaktionären (Groß)Bürgertums
Deswegen sollten wir auch niemals den Gedanken von Max Horkheimer vergessen: wer über den Faschismus redet, darf über den Kapitalismus nicht schweigen.

Der Schwur der Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald: nie wieder Faschismus -nie wieder Krieg ist deshalb auch und besonders ein Dank an die Rote Armee für die Befreiung nicht nur Deutschlands, sondern Europas vom Faschismus.

Es ist deshalb geradezu widerlich, wenn das Europaparlament in einer Resolution Faschismus und Kommunismus für den 2.
Weltkrieg verantwortlich macht. Es ist mehr als Geschichtsblindheit, es ist der unglaubliche Versuch Ermordeten zu Mördern und Mörder zu Freiheitskämpfern zu machen
Historische Wahrheit bleibt: die Befreiung Europas durch die Alliierten besonders durch die Sowjetunion war die Voraussetzung für die Entwicklung des Kontinents Europas zu Frieden, Demokratie und Wohlstand, die Basis für die Gestaltung Europas als eines wichtigen politischen Faktors, für neue Beziehungen der Kooperation und der Verständigung. Ohne die Befreiung Europas vom Faschismus besonders durch die Rote Armee gäbe es keine UN-Charta, keinen Jahrzehntelangen wenn auch kalten Frieden, keinen Helsinki Entspannungspolitik und nicht die millionenfache Begegnung von Menschen aus verschiedensten Ländern in Freundschaft und Partnerschaft. Es ist kaum vorstellbar in was für ein barbarisches Dunkel Europa gesunken wäre, hätte es diese — mit so viel Leid, Tod und Zerstörung verbundene Befreiung Europas nicht gegeben.

Dank ist leider keine politische Kategorie, sondern eine zutiefst menschliche: ich bin den Bürgerinnen und Bürgern Russlands und alle Republiken der ehemaligen Sowjetunion sowie den Widerstandskämpfern aller Länder zutiefst und für immer dankbar.

Die mindeste Konsequenz — und dies ist 75 Jahre nach der Befreiung umstritten, ist, dass alles versucht werden muss, dass die Völker Europas in Frieden zusammenleben.

Dieser Frieden in Europa ist 75 Jahre danach bedroht und nicht durch die Befreier wie das heutige Russland.

Die Tinte unter der Entspannungspolitik, Friedens Kooperations- und Abrüstungs-Charta von Paris von November 1990 war noch nicht trocken, da begann die USA und die NATO ihren "Marsch nach Osten", die Osterweiterun der NATO. Für die Rüstungsindustrie der USA das große Geschäft. Für Europa der Beginn einer neuen Zeit der Konfrontation, die zu einer Eiszeit führte als durch die Unterstützung des Putsches und seiner Folgen in der Ukraine die neutrale Ukraine in das westliche Militärbündnis integriert werden sollte. Russland sollte endgültig eingekesselt und aus Zentraleuropa verband werden. Brezinski lässt grüßen.

Diese Entwicklung und nicht die — wie auch immer zu bewertende — Eingliederung der Ukraine nach Russland — ist die Basis der Konfrontation. Die Verantwortung dafür liegt bei den USA und der NATO. Der dramatische Aufrüstungskurs der NATO und besonders der USA hat diese Situation weiter zugespitzt.
Es ist doch geradezu ein Treppenwitz der Geschichte, dass ein Land, dass der NATO 1 zu 16 bei den Militärausgaben und damit bei der Militarisierung unterlegen ist, angreifen soll und besonders aggressiv ist. Umgekehrt wird ein Schuh daraus
Ideologisch wurde dieser Marsch nach Osten durch eine Wiederbelebung und Verstärkung der primitiven Russlandfurcht bzw. des Hasses auf dieses Land begleitet.

Das Feindbild — nie ganz verschwunden — wurde für westliche Globalpolitik intensiv wiederbelebt, Errungenschaften der kooperativen Politik leichtfertig aufgegeben.

Als Friedensbewegung haben wir dazu immer nein gesagt: für uns bleibt richtig, was Willi Brandt immer wieder betont hat: Frieden in Europa ist ohne Russland unmöglich.

Unabdingbarer Bestandteil dieser aggressiven Politik nach außen war auch eine undemokratische neoliberalen Politik in den NATO-Länder nach innen. Dieses führt fast zwangsläufig — besonders bei der relativen Schwäche der Linken und einer völlig neoliberalen Politik der Sozialdemokratie- zur Stärkung rechtsradikaler und faschistischer Potentiale und Parteien.

Die AFD in Deutschland ist ein Produkt des Neoliberalismus und des Militarismus und ist gleichzeitig eine der besten Stützen sowohl des Neoliberalismus als auch des Militarismus. Sie unterstützt den hemmungslosen Aufrüstungspolitik der NATO und Deutschlands und möchte diese sogar verstärken.

Ihre angebliche "Freundschaft zu Russland" ist verlogen, solange sie eine Wiederbelebung der Bundeswehr in Richtung der faschistischen Reichswehr anstrebt und diese als Vorbild sieht.
Sie negiert alle Verbrechen dieser Reichswehr an der sowjetischen Bevölkerung und spricht bei ihr von Ruhm und Ehre
Auf der Basis von Verbrechen und Mord kann es aber keine Freundschaft geben. Sie unterstützt die Kriegspolitik und will sie ideologisch durch die Wiederbelebung des preußischen und faschistischen Militarismus in die Köpfe der deutschen Bevölkerung verankern.
Nein und noch einmal nein dazu — die AFD steht in der unsäglichen Tradition, die zum Faschismus führte!
Was wir brauchen ist Kooperation und Abrüstung, ist — trotz Coronavirus- das Schütteln der Hände zwischen den Menschen. Krieg muss im 21. Jahrhundert endlich verbannt werden. Darauf hinzuwirken ist gerade am 8. und 9.05.2020 unabdingbar notwendig.
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